WOSA-Motion

WOSA-Motion Grünliberale, SP, Grüne, EVP/EW, Pro Aarau   •   09. Mai 2017

In Wahrheit heisst etwas wollen, ein Experiment machen, um zu erfahren, was wir ‚können‘; darüber kann uns allein der Erfolg oder Misserfolg belehren
Friedrich Nietzsche

Werte Anwesende

Aus meiner Sicht, und ich glaube, ich spreche da für alle Motionärinnen und Motionäre, ist die vorliegende Motion ebenfalls eine Form eines Experimentes. Wie funktioniert WOSA und wie kann man es als Steuerungsinstrument nutzen? Es ist ein Experiment, um geübt im Umgang mit diesem Instrument zu werden und um zu zeigen, ob und wie WOSA funktioniert. Ganz nebenbei gibt es natürlich auch noch das eine oder andere politische Ziel.

Ich erlaube mir an dieser Stelle, zuerst ein paar grundlegende Überlegungen zu WOSA anzustellen. Danach werde ich etwas zur Antwort des Stadtrates sagen und gleichzeitig teilweise noch kurz zu den Anträgen Stellung nehmen, um später etwas Zeit zu sparen. Eigentlich ist WOSA ja ein Steuerungsinstrument, speziell auch vom Einwohnerrat. Über WOSA sollte das Budget bzw. die Leistungen der Stadt gesteuert werden. Das ist nicht ganz unwichtig.

Deshalb finde ich es fast erschreckend, wenn uns der Stadtrat mit den Unterlagen zu dieser Sitzung auch noch ein Memo mit den Grundlagen zu WOSA schickt. Er scheint den Verdacht zu haben, dass wir da nicht so genau drauskommen. Und ehrlich gesagt, ich glaube, er hat Recht. Unsere Arbeitsgruppe hat grob geschätzt knapp 20 Jahre Einwohnerratserfahrung, und ich würde in subjektiver Eigendeklaration keines der Mitglieder als uninteressierten Hinterbänkler deklarieren. Trotzdem sind wir immer wieder etwas wie der Esel vor dem Berg gestanden und haben uns beim genauen Hinschauen über Sachen gewundert, welche wir teilweise seit Jahren mehr oder weniger abnicken.

Eines meiner Lieblingsbeispiele ist der Satz bzw. Indikator „Höhe Zinssatz über SWAP-Satz bei Kapitalaufnahme. Ist 2015 26 Basispunkte.“ Eigentlich hätte ich jetzt Lust, eine Umfrage zu machen, wer vor dem Lesen der Antwort des Stadtrates bereits gewusst hat, ob ein hoher oder tiefer Wert gut ist bzw. was überhaupt ein guter Wert ist. Ich bitte Sie, einmal die Hand zu erheben.

Es freut mich, es sind doch immerhin gut 10 % des Einwohnerrates.

Meine Hand bleibt besser auch unten. Das heisst, 90 % haben über einen Indikator abgestimmt, bei welchem sie eigentlich keine Ahnung haben, was er bedeutet. Wie gesagt, das betrifft mich auch.

Ist WOSA also schlecht? Wenn man uns so zuhört, könnte man ja auf diese Idee kommen. Ich bin mir ehrlicherweise nicht ganz sicher. Aus meiner Sicht ist WOSA eine Art Metasprache. Was heisst das? Die Verwaltung wird, so nehme ich zumindest teilweise an, ihr Budget „Bottom-up“ erstellen. Die Feuerwehr braucht z. B. eine gewisse Anzahl Schläuche und von Zeit zu Zeit ein neues Fahrzeug. Der Einwohnerrat verlangt auf der anderen Seite sehr „Top-Down“, dass das erste Feuerwehrfahrzeug zehn Minuten nach einer Alarmmeldung vor Ort sein muss. Das hat noch gar nichts mit Schläuchen zu tun.

Zwischen „Bottom-up“ und „Top-Down“ braucht es wie eine Übersetzung. Das wäre bei uns eben WOSA. Übersetzungen sind erstens anstrengend und führen zweitens zu Reibungsverlusten. Umgekehrt ist es ja auch so. Wir Einwohnerräte denken häufig auch tendenziell „Bottom-up“. Ich bin so frech und nehme als eines von vielen Beispielen Einwohnerrat Peter Roschi. Er hat kürzlich angefragt, ob sich der Stadtrat den Abbruch der Markthalle vorstellen könne. Das ist sehr konkret und hängt vermutlich u.a. von der Vorstellungskraft des Stadtrates ab. Aber ich sehe kein Wirkungs- und kein Leistungsziel in dieser speziellen Frage.

Aber wie gesagt, wir funktionieren vermutlich alle so. Und zu guter Letzt haben die Sparbemühungen und die Diskussionen gezeigt, dass der Einwohnerrat und der Stadtrat häufig über die Streichung oder Beibehaltung konkreter Sachen diskutieren, aber praktisch nie über die Anpassung eines Indikators. Mein persönliches Fazit ist deshalb: WOSA ist nicht wirklich gut und überfordert das Parlament, welches sich zehnmal pro Jahr trifft, aber – und jetzt kommt dieses Aber – ich glaube, und ich weiss es nicht, WOSA ist besser als die Alternative.

Ich möchte in diesem Saal nicht über die Anzahl Feuerwehrschläuche diskutieren. Ich will schlussendlich, dass die Feuerwehr rasch vor Ort ist und das Ereignis bewältigt. Wichtig scheint mir, dass WOSA langfristig nur funktionieren kann, wenn wir uns als Einwohnerrätinnen und Einwohnerräte vermehrt, das heisst also, mehr als in den letzten Jahren, mit WOSA auseinandersetzen und mit WOSA gut durchdacht experimentieren.

Zur Antwort des Stadtrates: Prädikat durchzogen. Es ist eher nicht so ermutigend, sich tiefer mit WOSA auseinanderzusetzen. Je nach Abteilung sind die Antworten gut begründet, und zwar für oder gegen uns. Manchmal sind die Antworten halt einfach schlecht oder sogar absurd begründet. Symptomatisch ist das, wenn auch nicht bei allen, bei den Umfragen zur Qualität bzw. Zufriedenheit.

Ein Beispiel ist das Stadtmuseum: Es ist seit Jahren möglich, die Besucherzufriedenheit zu erfassen und zu messen. Ausgewiesen ist sie jedes Jahr anscheinend grösser als 75 %. In Schulnoten wäre das übrigens eine 4,75. Wenn wir jetzt vorschlagen, dass der Indikator erhöht wird und wir also mehr als 75 % möchten, geht das nicht. Es gibt plötzlich für die Erhebung, welche ja dieselbe bleibt, Mehrkosten von 10 % des Globalbudgets dieser Produktegruppe. Ist das ernst gemeint? Die Zufriedenheit wird jedes Jahr bereits erfasst. Niemand, aber wirklich niemand der Motionärinnen und Motionäre wünscht sich eine Doktorarbeit zu diesem Thema, nicht einmal eine wissenschaftliche Arbeit, sondern es soll einfach und pragmatisch sein, ohne grossen Aufwand. In diesem Fall wird es ja bereits gemacht.

Beispielsweise könnte die Zufriedenheit mit IT oder die Zufriedenheit der Mitarbeitenden einfach, wenn auch nicht wissenschaftlich perfekt, im Rahmen der Mitarbeitergespräche thematisiert werden. Die finden ja hoffentlich sowieso statt. Eine einfache, jährliche Umfrage ist durchaus mit kleinem administrativem Aufwand möglich, und die Möglichkeiten sind besser zu steuern.

Also, wenn ich nachfolgend beim Thema Umfrage nicht immer dem Stadtrat folge, erwarte ich explizit pragmatische, einfache und günstige Lösungen, und zwar nicht jedes Mal für 30’000 Franken. Es geht um die Grosswetterlage: ist niemand zufrieden, ist die Mehrheit zufrieden oder alle. Es nervt ehrlicherweise, wenn sich gewisse Teile der Verwaltung hinter wissenschaftlicher Komplexität und hohen Kosten verstecken. Das geht unseres Erachtens mehr Richtung „Totschlägerargumente“ als Richtung zielorientierte Problemlösung.

ch töne schon wieder negativ, ich weiss. Es gibt auch ganz klar gute und meines Erachtens problemorientierte Antworten aus der Stadtverwaltung, z. B. von der Stadtbibliothek. Und sehr positiv möchte ich auch Stefan Berner, Madeleine Schweizer und Matthias Mundwiler erwähnen, welche bei unseren Wissenslücken doch immer wieder sehr kompetent, spontan und unkompliziert Hilfe geleistet haben, auch wenn sie vermutlich unsere Anträge nicht immer gut gefunden haben.

Ich möchte für den Moment mit einem Zitat zur Motion von jemandem aus diesem Raum aufhören: „Weshalb tut ihr euch das an?“

Zwei Antworten:

  1. Ich habe aus diesem Experiment viel gelernt, was mir hoffentlich in meiner Arbeit als Einwohnerrat hier helfen wird.
  2. Und schlussendlich sind wir dafür gewählt.
By | 2017-07-28T09:32:05+01:00 Mai 9th, 2016|Diskussionsbeitrag|